Die Fetale Alkohol Spektrum Störung
FASD (Fetale Alkohol Spektrum Störung) ist eine irreparable Behinderung, die durch den mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erworben wird.
Alkohol ist ein starkes Zellgift und kann die Entwicklung des Ungeborenen beeinflussen und zu erheblichen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen sowie zu Verhaltensauffälligkeiten führen. Bereits geringe Mengen Alkohol können den Embryo langfristig schädigen. Alkohol durchdringt ungehindert die Plazentaschranke und wirkt sich negativ auf die Teilung der Zellen aus. Unter anderem auch dadurch, dass der Embryo bis zu 10 mal länger als die Mutter benötigt, um den Alkohol abzubauen. Es kann nicht vorhergesagt werden, welche Alkoholmenge bei welchem Kind welchen Schaden verursacht.
FASD – Wie häufig kommt das vor?
In Deutschland trinkt circa jede dritte Frau während der Schwangerschaft Alkohol.
Nach aktuellen Schätzungen werden in Deutschland jährlich ca. 10.000 Kinder mit dem FASD geboren. Die Dunkelziffer liegt voraussichtlich weitaus höher. Der Anteil der Menschen mit FASD in der Gesamtbevölkerung liegt aktuellen Hochrechnungen zu Folge bei ca. 1–2%, dies entspricht ca. 850.–1.600 000 Menschen in Deutschland.
Damit ist FASD die häufigste, nicht genetisch bedingte Behinderung, welche vor der Geburt erworben wird.
Welche Schäden kann Alkohol in der Schwangerschaft verursachen?
FASD ist eine Spektrumstörung und hat viele Symptome. Jeder Mensch mit FASD zeigt ein ganz eigenes Spektrum an Symptomen. Jede Region des Körpers kann betroffen sein. Das Gehirn entwickelt sich durch die gesamte Schwangerschaftszeit und ist daher das Organ, welches am stärksten von der Schädigung durch den Alkohol betroffen ist. Daher ist FASD auch insbesondere eine hirnorganische Störung.
Die Schäden, die der Alkohol in der Schwangerschaft verursacht, wachsen sich nicht aus und sind nicht heilbar. Sie bestehen ein Leben lang.
Auswirkungen können u.a. sein:
- Störung der Exekutivfunktionen (Grundlage für die Bewältigung des Alltages)
- Impulskontrollstörung
- körperliche, geistige und motorische Entwicklungsstörungen
- Verhaltensstörungen
- Mikrozephalie (zu kleiner Kopf)
- Untergewicht
- Minderwuchs
- Gesichtsveränderungen
- Schlafstörungen
- Organschäden (z.B. an Herz und Nieren)
- Wahrnehmungsstörungen
- Sprachstörungen
- Distanzlosigkeit
- ADS und ADHS
- Aggressivität
- Lernentwicklungsstörungen
Diagnose
Eine frühzeitige Diagnose ist für Menschen mit FASD und deren Bezugspersonen von großer Bedeutung, um eine möglichst positive Entwicklung zu ermöglichen. Sie trägt dazu bei, dass die Hirnschädigung als Ursache für die verschiedenen Auffälligkeiten gesehen werden und nicht, wie sehr häufig, als Persönlichkeitsmerkmal oder Erziehungsfehler. Überdies ermöglicht eine frühzeitige Diagnose zielorientiertere Hilfen und ein Hineinwachsen in die Annahme der Behinderung durch Eltern und Kinder.
Mit der S3 Leitlinie (AWMF Leitlinienregister) zur Diagnose des FASD im Kindes- und Jugendalter wurde die Basis für eine frühzeitige Diagnosestellung geschaffen.
Sie umfasst vier Säulen:
- Wachstumsstörungen
- Faziale Auffälligkeiten
- Auffälligkeiten im zentralen Nervensystem
- Alkoholkonsum der Mutter (bestätigt oder nicht bestätigt)
FAS (Vollbild FAS):
Bei Menschen mit FAS sind die drei ersten Kriterien erfüllt (Wachstumsstörungen, faziale Auffälligkeiten, Auffälligkeiten im zentralen Nervensystem)
Bei dieser Diagnose ist keine Bestätigung des Alkoholkonsums der Mutter notwendig.
pFAS (partielles FAS):
Bei Menschen mit dem partiellen FAS (pFAS) werden zwei dieser Kriterien erfüllt (faziale Auffälligkeiten, Auffälligkeiten im zentralen Nervensystem).
Zusätzlich muss der Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft bekannt oder wahrscheinlich sein.
ARND (Alcohol Related Neurodevelopmental Disorders):
Bei Menschen mit ARND treten keinerlei körperliche Beeinträchtigungen auf. Es steht die Dysfunktion des zentralen Nervensystems im Vordergrund.
ARND wird nur bei bestätigtem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft diagnostiziert.
Diagnosen pFAS und ARND
Bei den Diagnosen pFAS und ARND handelt es sich keinesfalls um eine abgeschwächte Form des FAS. Die Symptome können ebenso beeinträchtigend sein, wie beim FAS Vollbild. Da hier die körperlichen- und Gesichtsmerkmale nicht vorhanden sind, werden Menschen mit pFAS und ARND häufig mit noch größeren Herausforderungen konfrontiert, da sie vielfach in ihren Fähigkeiten überschätzt werden.
FASD ist eine (meist) unsichtbare Behinderung
Nur ein geringer Teil (ca. 30 Prozent) der Menschen mit FASD ist dem klassischen FAS-Vollbild zuzuordnen. Etwa 70 Prozent aller alkoholgeschädigten Menschen haben keine äußerlich sichtbaren, klinischen Erkennungsmerkmale. Das heißt: dem größten Teil der Menschen mit FASD sieht man ihre Behinderung nicht an. Viele haben daher eine Odyssee an Diagnosen, nicht passenden Therapien, verweigerten Leistungen und fehlendem Verständnis hinter sich.
Reportagen und Dokumentationen
FASD – eine Herausforderung im Alltag
Die Hirnschädigung bei Menschen mit FASD schränkt sehr häufig wichtige, exekutive Funktionen ein, welche für die Bewältigung des Alltags von großer Bedeutung sind. So wird der Alltag zur enormen Herausforderung und zum Kernproblem für Menschen mit FASD.
Die Folgen der Einschränkungen zeigen sich auf vielfältige Weise:
- sich Dinge zu merken, gelingt oft nicht, so dass selbst alltägliche und ritualisierte Abläufe nicht verinnerlicht werden - es bedarf einer ständigen Anleitung und Hilfestellung
- altersangemessene Selbständigkeit kann bei gleichzeitigem Wunsch danach ausbleiben
- bedürfnisorientiertes Agieren im Augenblick kann zu Grenzverletzung, Aggression, Gewaltbereitschaft bis hin zu Delinquenz führen
- zwischen Wichtigem und Unwichtigem kann kaum unterschieden und Impulse nur schwer reguliert werden
- leichte Ablenkbarkeit und Hyperaktivität
- Handlungen zu planen und umzusetzen gelingt oft nicht
- sich auf neue Situationen einstellen und das Verhalten daran anzupassen, fällt schwer
- gute Sprachkompetenz und ein oft durchschnittlicher IQ widersprechen häufig den Planungs-Handlungsfähigkeiten: Folgen sind Kompetenzüberschätzungen durch Außenstehende
- nicht selten misslingen soziale Kontakte, da die Gefühle und Bedürfnisse anderer nur schwer bis gar nicht wahrgenommen werden können und das eigene Bedürfnis auf andere übertragen wird.