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Grenzverletzungen

Grenzverletzendes Fehlverhalten

Ihr Kind hat eine eigene Wahrnehmung, Wahrheit und Handlungsidee.

Der junge Mensch folgt seiner affektiven Idee und ausschließlich seinem Bedürfnis.
Erwartungen und Konsequenzen des Gegenübers, die er hierdurch auslösen kann, bezieht er nicht in sein spontanes Handeln ein. Ohne dieses Einbeziehen des Umfeldes und der zu erwartenden Reaktion des anderen, nimmt der junge Mensch Grenzüberschreitungen bis hin zur Delinquenz in Kauf:
Hauptsache das eigene Ziel ist erreicht.

  • Lügen / Stehlen
  • Kriminelle Handlungen
  • Strafrechtliche Konsequenzen
  • Grenzverletzung
  • Lügen und Stehlen 

    Das von Ihnen als Lügen und Stehlen wahrgenommene Verhalten des jungen Menschen ist in der Wahrnehmung dieser Person eine einfache Bedürfnisbefriedigung, die keine negative oder böse Absicht beinhaltet.
    Ihr Kind hat eine eigene Wahrnehmung und Wahrheit. Das Gehirn ist im Augenblick dieses Momentes und der Kopf ist mit ausschließlich einem (meist) Bedürfnis/Gedanken voll. Bevor ein neues Bedürfnis oder Ihre Aufforderung des Momentes Platz im Kopf haben kann, muss das vorherige erst draußen sein. Dies ist in der Regel erst möglich, wenn das gerade gedachte Bedürfnis erledigt ist oder das neu aufkommende ein größeres Bedürfnis anspricht als das vorherige. Zur detaillierten Erläuterung bitten wir Sie die folgenden Beispiele zu lesen.


    Beispiel: "Kaugummidiebstahl"

    Ihr Kind wird von Ihnen geschickt, um seine Jacke zu holen. Auf dem Weg sieht es ein Kaugummi, das der Schwester gehört. Das Gehirn löscht in diesem Moment die Jacke aus dem Kopf und nimmt den Kaugummi rein, was dann vom Kind genommen wird, ohne an die Konsequenz und Wut der Schwester denken zu können. Faktisch hat Ihr Kind „gestohlen“. Im Denken Ihres Kindes hat es „nur“ den Kaugummi genommen, worauf es gerade Lust hatte. Kommt das Kind nun Kaugummi kauend zu Ihnen ohne Jacke und Sie stellen es zur Rede, kann es sein, dass Ihr Kind sich nicht an die Jacke erinnert, da die Aufgabe einfach aus dem Kopf gelöscht ist und versteht Ihr Aufgebrachtsein nicht. Wahrscheinlich wird Ihr Kind das Stehlen verneinen, vielleicht sogar aufgebracht ablehnend reagieren. Es hat bei Ihrem Fragen nach der Jacke bereits den Kaugummi wieder vergessen und hat keine Idee, weshalb Sie sich aufregen. Das Nehmen des Kaugummis ist bereits vergessen, da er ja bereits im Mund ist. In diesem Moment ist nun wieder die Jacke im Kopf, da Sie ja bereits in Jacke auf Ihr Kind warten.

    Beispiel: "Einbruchdiebstahl im eigenen Zuhause"

    Ihr junger Mensch hat ein Smartphone und verbringt viel Zeit auf „Youtube“. Plötzlich fällt sein Kopfhörer aus und er kann nicht weiter hören. Aufgebracht kommt er zu Ihnen und verlangt, sofort neue Kopfhörer zu kaufen, was Sie aus Zeitgründen ablehnen und auf den morgigen Tag verschieben. Ihr junger Mensch ist sehr aufgebracht und kann keinerlei Vorschläge zur Konfliktlösung aufnehmen. Nach langer Diskussion schicken Sie ihn zum Radfahren raus und hoffen auf Entspannung. Als Ihr junger Mensch nach 5 Stunden zurückkommt, scheint die Wut verflogen. Er isst mit Ihnen und Sie vereinbaren miteinander, am nächsten Tag um 15 Uhr einen neuen Kopfhörer zu kaufen.
    Ca. 2 Stunden später sehen Sie die aufgebrochene Zimmertür Ihres zweiten Kindes. Sie schauen sie genauer an und gehen daraufhin zu Ihrem Jugendlichen im Nachbarzimmer. Dieser liegt entspannt mit Kopfhörern auf dem Kopf auf seinem Bett und lächelt Sie an. Auf Ihre Konfrontation mit der aufgebrochenen Tür, dem dadurch massiven Schaden, den Kosten und dem kriminellem Verhalten von ihm reagiert Ihr junger Mensch nicht. Für ihn ist die Situation abgeschlossen, das Bedürfnis befriedigt und Ihr Thema der kaputten Tür mit all seinen Folgen bedeutungslos. Seine Absicht war nicht das Aufbrechen und Zerstören der Tür, sondern das Bedürfnis nach dem Kopfhörer zu befriedigen. Da er wusste, dass im Zimmer ein Kopfhörer sein muss, hat er ihn „geholt“. Die Mittel zum Erreichen des Ziels sind für ihn in diesem Augenblick unwichtig gewesen.

    Klar bleiben

    Auch wenn in der Klärung von Lügen und Stehlen Fehlverhalten nicht eingesehen wird und Sie ggf. als schuldig erklärt werden, bleiben Sie in Ihrer Haltung klar und erklären Sie die Zusammenhänge und weshalb es nicht Ihr Fehlverhalten war. Außerdem ist eine konsequente Wiedergutmachung und Entschuldigung notwendig, um:

    • dem Jugendlichen Grenzen zu setzen und langfristiges Lernen durch Wiederholung und Konsequenz zu ermöglichen,
    • Ihr zweites Kind in seiner Wut sehr ernst zu nehmen und Wiedergutmachung und Konsequenz im Fehlverhalten vorzuleben,
    • sich selbst durch Entschuldigung und Wiedergutmachung die Geduld mit dem Jugendlichen zu erhalten.

    Kriminelle Handlungen

    Ebenso kann es Situationen geben, in denen ein junger Mensch mit den beschriebenen Einschränkungen ohne jegliche Überlegung kriminelle Handlungen verübt, um entweder die Erwartungen des neuen „Freundes“ zu erfüllen und dazu gehören zu können oder das eigene Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel stiehlt ein junger Mensch einer alten Dame in der Innenstadt die Handtasche, um sich mit dem in der Tasche vermuteten Geld ein neues Handy zu kaufen, das er gerade im Schaufenster gesehen hat. Hierbei wird eine mögliche Verletzung oder die Konsequenz des Handelns nicht bedacht, sondern rein affektiv gehandelt. Vor dem Richter erklärt der junge Mensch dann zum Beispiel: „Ich habe nur die Tasche mit dem Geld genommen, mit der Verletzung habe ich nichts zu tun. Hätte die Oma die Tasche losgelassen, wäre sie nicht gefallen.“

    Strafrechtliche Konsequenzen

    Auch wenn Ihr junger Mensch sein Handeln nicht überschaut und krankheitsbedingt nur schwer zu verändertem Verhalten in der Lage ist, ist es wichtig, konsequent und klar auf Fehlverhalten zu reagieren sowie Erwartungen in liebevoll klarer, kurzer Ansage einzufordern, um langfristige Veränderung zu erarbeiten. Unendliche Geduld mit sich immer wiederholender, klarer Konsequenz können Besserungen ermöglichen. Sollte dem jungen Menschen dies auch dann mit langem Atem nicht gelingen, sind wir gefordert zum Schutz des jungen Menschen selbst sowie dritter Personen, individuelle neue Strategien zu entwickeln.

    Auch strafrechtliche Konsequenzen sind in diesen Fällen nicht immer zu umgehen und benötigen gleichzeitig ein besonderes Augenmerk. Langfristiges Lernen aus Erfahrung und Konsequenz und die hier gegebenen Strafmaße bergen bei z.B. Inhaftierung immer auch die Gefahr des emotionalen Lernens durch Nachahmen „cooler Mithäftlinge“. Auf diese angerissene, spezielle Thematik kann hier leider nicht näher eingegangen werden. Gerne stehen wir hier individuell für eine Beratung zur Verfügung.

    Grenzverletzung und Delinquenz

    Gerade extrovertierte junge Menschen mit FASD, die unter gravierenden Einschränkungen der Planungs-Handlungsfähigkeit leiden, zeigen eine deutliche Reduktion ihrer Impulskontrolle. Haben sie ein Bedürfnis, dass SOFORT befriedigt werden muss, kann ein Gegenüber das andere Erwartungen hat, zu einem Störfaktor werden, auf den der junge Mensch „Null“ eingehen kann. Ein Zuhören oder ein Gespräch ist nicht möglich und ein Abgleich und ein Durchsetzen des Eigenen wird ohne weitere Überlegung durchgesetzt. Hierbei kann es dann zu massiven Beschimpfungen und auch körperlicher Gewaltanwendung kommen. Nicht selten ist nach Erfüllung des Bedürfnisses dann der „Schalter“ direkt wieder umgelegt und der junge Mensch fragt z.B. „Hast du mich noch lieb?“ oder „Gehen wir jetzt Pizza essen?“ usw. Die vorherige Situation ist wie ausgelöscht und Sie selbst können vielleicht gar nicht so schnell zum nächsten Tagespunkt übergehen.

    Platz für Paradoxe Intervention (liebevolle Verrücktheiten)

    Befinden Sie sich mit Ihrem Kind in einer Krisensituation von Wut, Verweigerung oder Überforderung, gilt es, die eigentliche Regel oder Struktur in diesem Moment durch eine zum Beispiel paradoxe Intervention (liebevolle Verrücktheit) zu ersetzen. D.h. machen Sie in diesem Augenblick (in liebevoller Haltung) das Gegenteil von dem, was Sie gerade im Kopf haben. Zum Beispiel: statt Erklärungen, Schimpfen oder Meckern - Singen, Tanzen oder einen Witz erzählen. Hierbei ist es zwingend notwendig, dass egal welche Handlung Sie einsetzen, immer aus dem Wohlwollen und Ernst nehmen Ihres Kindes und nicht aus Wut, mit Ironie oder Zynismus gehandelt wird. Nehmen Sie Ihr Kind in dieser Situation nicht ernst oder Ihr Kind fühlt sich durch ihr Handeln „veräppelt“, wird sich die Situation massiv steigern, verschärfen oder eskalieren.

    Ziel Ihres Handelns ist es, das Gehirn Ihres Kindes kurzfristig zu irritieren, damit Neues Platz haben kann und ein gutes Weitergehen möglich wird.
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