Ergänzende Hilfen
Manche Schwierigkeiten, die sich durch die Begleiterkrankungen ergeben, sind gegebenenfalls für Ihr Kind und Sie eine Qual im Alltag, die bis zur Resignation und Selbstaufgabe führen können. Hier sind möglicherweise geeignete Unterstützungen durch Medikation, sozialrechtliche Hilfsangebote oder Therapien erforderlich
Medikation
Nicht selten leidet ein junger Mensch mit FASD auch unter anderen Erkrankungen, die ihm den Alltag, das Lernen und die Kontakte zu anderen massiv erschweren. Insbesondere Begleiterkrankungen wie das AD(H)S, Schlafstörungen, Angsterkrankungen, Depressionen oder Impulskontrollstörungen, die sich zum Teil in hoher Aggression, massiver Opposition bis hin zu Gewaltbereitschaft ausdrücken, benötigen hier eine besondere Aufmerksamkeit.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind kann am Abend schlecht einschlafen und ist mehrfach in der Nacht wach. Am Tag kann es sich in Schule und Alltag nicht fokussieren, weil es alle Dinge in gleichem Maße und in gleicher Wichtigkeit wahrnimmt und die Konzentration trotz aller Mühe ausbleibt. Müde und erschöpft, sich auf nichts konzentrieren zu können und aufgefordert, Leistung zu erbringen, bemüht sich Ihr Kind dennoch Ihnen und auch der/m Lehrer:in zu gefallen und die Erwartungen, die es kaum überschauen kann, zu erfüllen.
Liegen hier, wie nicht selten, oben genannte Erkrankungen zugrunde, ist es häufig sinnvoll und notwendig, die Kinder neben ihren Alltags- und therapeutischen Hilfen, auch medikamentös zu unterstützen. Manche Schwierigkeiten, die sich durch die Begleiterkrankungen ergeben, sind gegebenenfalls für ihr Kind und Sie eine Qual im Alltag, die bis zur Resignation und Selbstaufgabe führen können. Hier sind dann geeignete Medikamente, die mit der/m Arzt:in individuell für Ihren jungen Menschen abgestimmt werden, erforderlich. Eine medikamentöse Therapie kann dann ebenso wichtig sein, wie sie für einen Menschen mit einer schweren, körperlichen Erkrankung notwendig wäre.
Wie bei allen Medikamenten gilt hier: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Möglichkeiten der Jugend- und Einliederungshilfe
Die Jugend- und Eingliederungshilfe bietet unterschiedlichste Unterstützungsangebote für Ihren Alltag mit Ihrem Kind. Hierin kann angefangen von der Erziehungsbeistandschaft als stundenweise Unterstützung und Entlastung bis hin zur Heimunterbringung eine wichtige und notwendige Hilfe bestehen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und immer im Einzelfall mit den Sachbearbeiter:innen zu planen.
Im Zusammenhang mit den vorherigen Themen wird hier lediglich ein Gedanke kurz aufgegriffen: Eine Unterbringung in einer Heimeinrichtung widerspricht nicht der Wichtigkeit Ihrer Beziehung zu Ihrem Kind. Es kann sein, dass Sie in Ihrem Zusammenleben mit dem jungen Menschen spüren, dass es eine andere Unterstützung benötigt oder die Herausforderungen für Sie und Ihre Angehörigen zu groß werden. Nehmen Sie sich in Ihrem Gefühl sehr ernst und gehen Sie ihm nach.
Auch wenn Ihr junger Mensch in einer Einrichtung lebt, ist Ihre Beziehung zu ihm sehr wichtig. Ihr Kind kann sich in der Einrichtung besser einfinden, wenn es weiß, dass Sie zu ihm stehen, es noch genauso mögen wie zuvor, und Sie klar hinter ihrer getroffenen Entscheidung für diesen Schritt stehen. Wenn Ihrem Kind die Sicherheit gegeben wird, dass es weiterhin Kontakt zu Ihnen haben wird, kann es sich eher auf die neue Hilfe einlassen.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kolleg:innen der Einrichtung, dem Jugendamt und Ihnen als Hauptbezugspersonen des jungen Menschen ist für ein Gelingen der Hilfe unabdingbar. Hierbei spielt die rechtliche Position, zum Beispiel als Pflegeeltern, keine Rolle. Auch wenn der junge Mensch zunächst mit Wut und Ablehnung auf die Entscheidung der Unterbringung reagiert und erklärt, mit Ihnen nichts mehr zu tun haben zu wollen, bleiben Sie über das Team der Gruppe im Kontakt und warten, bis der junge Mensch sich wieder öffnen kann. Sie sind und bleiben auch langfristig die wichtigste Bezugsperson des jungen Menschen. Er kommt wieder.
Die Annahme einer stationären Hilfe drückt kein Versagen, sondern ein fürsorgliches und verantwortungsvolles Sorgen um Ihr Kind sowie Ihre Familie aus. Dies kann auch bedeuten, dass es für alle hilfreich ist, nicht zu warten, bis die Situation völlig eskaliert. Meistens haben dann die Beziehungen untereinander so gelitten, dass Kontakte von einer oder gar beiden Seiten abgebrochen werden, der junge Mensch sich abgelehnt und unfähig fühlt und sich in der Folge vielleicht sehr schwer tut, sich auf neue Beziehungen und Hilfen einzulassen. Außerdem könnte die dann meist bereits pubertäre Phase, die hier normale Ablösung von den Erwachsenen, den Aufbau einer notwendigen neuen Beziehung zum Pädagogen erschweren. Sollte sich Ihnen daher bereits im Kindesalter zeigen, dass eine stationäre Hilfe in den nächsten Jahren als sehr wahrscheinlich erscheint, gilt es gut zu überlegen, wann ein hierfür geeigneter Zeitpunkt ist, damit gegebenenfalls vor Beginn der Pubertät gute Beziehungen und tragfähige Alltagsstrukturen für die weitere Entwicklungsförderung aufgebaut werden können. An dieser Stelle kommt der intensiven, wohlwollenden Begleitung der Familie, sowie einer langfristigen Hilfeplanung durch die Fachkraft des Jugendamtes eine wichtige Rolle zu.
Unterstützung und Förderung durch Therapien
Therapien können für Menschen mit FASD eine gute Unterstützungs- und Fördermöglichkeit sein. Sprachgestützte Angebote haben meist wenig Erfolg. Allerdings sind Therapien, die andere Ansätze als die Sprache benutzen, oft sehr fördernd. Dazu zählen unter anderen die tiergestützte Therapie, Heilpädagogik, Kunst-, Bewegungs- und Musiktherapien.