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Diagnose annehmen

Ist eine Diagnose wichtig und wann sollte sie gestellt werden?

Eine möglichst frühe Diagnose ist eine wichtige Grundlage für die Gesamtentwicklung des jungen Menschen mit FASD.

Ob dem jungen Menschen bereits im Kindesalter der Name FASD mitgeteilt wird oder anhand der situativen Schwierigkeiten Hilfebedarf erklärt wird, ist nie pauschal, sondern individuell zu entscheiden. Vielfach wird der offene Umgang mit der Diagnose, verbunden mit dem Namen FASD, als hilfreich wahrgenommen, da die Kinder nicht mehr nach der Schuld in ihrem willentlichen Tun suchen, sondern eine Erklärung aufgrund ihrer gesetzten Grenzen erkennen lernen.

  • Frühe Diagnose
  • Diagnose im Vorschulalter
  • Diagnose für junge Menschen
  • Frühe Diagnose

    Je früher die Bezugspersonen eines Menschen mit FASD über die bestehende Diagnose informiert sind, können sie sich mit dieser auseinandersetzen. In der Folge gilt es, die Herausforderungen des Alltags, die Erziehung und Bildung dem jungen Menschen anzupassen und einen angemessenen Umgang mit dem jungen Menschen und sich zu finden.

    Allein die Akzeptanz der Behinderung als solche, die Annahme des Lebens mit einem Kind mit Behinderung in der Familie und gerade für die leibliche Mutter die zusätzliche Auseinandersetzung mit der Schuldfrage bedeutet eine enorme Belastung. Die Diagnose FASD, eine lebenslange Behinderung, versetzt sowohl leibliche Eltern als auch Pflege- und Adoptiveltern in einen notwendigen Trauerprozess, den es zu bewältigen gilt, um gut für und mit dem jungen Menschen leben zu können.
    Bleibt die Diagnose aus, erfolgen Zuschreibungen an Bezugspersonen, die von Lieblosigkeit über Helikoptereltern bis hin zu Erziehungsunfähigkeit reichen.

    Bezugspersonen selbst bleiben auf der Suche nach Gründen für die bestehenden Schwierigkeiten hilflos zurück, schreiben sich selbst Erziehungsunfähigkeit zu und geraten nicht selten in Beziehungskonflikte, Hilflosigkeit und Resignation.

    Diagnose im Vorschulalter

    Erhält ein junger Mensch im Vorschulalter die Diagnose FASD und gelingt es Bezugspersonen, mit dem jungen Menschen altersangemessen mit der Behinderung leben zu lernen, kann der junge Mensch Möglichkeiten und Grenzen annehmen und notwendige Hilfen als selbstverständlicher akzeptieren lernen.

    Junge Menschen

    Erhält der junge Mensch die Diagnose erst im jugendlichen- oder jungen Erwachsenenalter, ist die Annahme der Behinderung um ein Vielfaches erschwert. Der junge Mensch wurde bis zu diesem Zeitpunkt, durch Höchstanstrengung und zum Teil Überforderung aller, in „altersangemessene“, seine individuellen Einschränkungen ausblendende Selbstständigkeit, gefördert. Meist folgt für die jungen, pubertierenden Menschen nun mit der Diagnose ein Wechselbad unterschiedlichster Gefühle.

    Zunächst ist hier die Erleichterung, nun endlich zu wissen, dass ich nicht selbst schuld oder zu faul bin usw.. Die Erleichterung wechselt nach einer kurzen Entlastungspause in den von uns meist unterschätzten Prozess der Trauer über die Diagnose. Diese ist verbunden mit Wut auf die leibliche Mutter und Ohnmacht. Diese notwendigen Auseinandersetzungen begleiten Menschen mit FASD immer wieder und sind ein sehr wichtiger Entwicklungsprozess, um mit der eigenen Geschichte und der leiblichen Mutter eine gute, persönliche Zukunftsperspektive entwickeln zu können.

    Manche Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehen jedoch direkt mit der Diagnosestellung in die völlige Ablehnung der Diagnose und sind nicht in der Lage, sich den benannten Prozessen zu stellen. Hier sind dann Aussagen wie: „Nicht ich bin behindert, sondern du...“ keine Seltenheit. Meist folgt dann ein Ausbrechen aus erzieherischer Führung und Begleitung, um den Erwachsenen das Nichtexistieren des FASD zu beweisen. Bleiben Sie in diesen Situationen in der Ruhe und klar in Ihrer Haltung, wird der junge Mensch, auch wenn er gegebenenfalls eine Zeitlang völlig aus dem Kontakt ausbricht, zu Ihnen zurückkehren.
    Wie in vielen Situationen des Alltags mit FASD kann es auch hier zu Ambivalenzen zwischen Ablehnung der Diagnose und Nutzen der Diagnose im Sinne von: „Ich kann das nicht, ich bin behindert“ kommen.

    Bleiben Sie auch in dieser Situation in liebevoller Klarheit an der Seite des jungen Menschen und entwickeln Sie die Haltung: „Wer behindert ist, kann vieles schaffen, er muss sich mehr anstrengen als andere, und Hilfe annehmen“.

    Junge Menschen mit FASD haben Recht auf wut und Trauer

    Junge Menschen mit FASD, insbesondere in der Pubertät, wünschen sich oft „normal“ zu sein. Konfrontiert mit der Diagnose geraten sie in tiefe Traurigkeit sich selbst oder der leiblichen Mutter gegenüber. Meist äußert sie sich im Alltag in Wut oder Rückzug. Trauerphasen wie aus der Verarbeitung eines schweren Verlustes bekannt, stellen Menschen mit FASD vor eine große Herausforderung. So sind sie bemüht, durch eigene Lösungsversuche, die sich in eben dieser Wut, Destruktion oder auch im Rückzug zeigen, ihre Trauer zu bewältigen.

    Menschen mit FASD haben ein Recht auf Wut und Trauer. Erst wenn es uns gelingt, ihrer Trauer und Wut Raum zu geben, und sie in ihrem Befinden wahr- und ernst zu nehmen, gelingt es uns, mit ihnen durch die Trauer hindurch neue Konflikt- und Lösungsstrategien zu erarbeiten.

    Ebenso wie die jungen Menschen werden auch Sie als Bezugspersonen, insbesondere als Pflege- und Adoptiveltern durch die Konfrontation mit der Diagnose des jungen Menschen, Trauer und Wut wahrnehmen. Vielleicht hatten Sie sich entschieden, einem gesunden Kind Platz in ihrer Familie zu geben und darauf gehofft, es zunehmend selbstständig werden zu sehen. Vielleicht erleben Sie aber, dass Sie gerade in der Pubertät besonders gefordert sind und spüren Wut auf die leibliche Mutter und tiefe Trauer, dass Ihr Kind eine lebenslange Behinderung hat. Nehmen Sie diese Trauer wahr, gehen Sie nicht über Ihre Gefühle hinweg, sondern erlauben Sie sich genau das zu spüren und gegebenefalls mit ihrem/r Partner:in über ihre Trauer und Wut zu sprechen. Sie sind nicht allein mit Ihrem Gefühl.

    Ihre Trauer und Ihre Wut dürfen sein. Lassen Sie sie zu und gehen Sie gemeinsam, vielleicht auch mit unterstützender professioneller Hilfe, durch die Trauer in die Entwicklung neuer Zukunftsperspektiven
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